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Montag, 19. Januar 2015

Eine traurige Geschichte


Hallo ihr Lieben,

mir wurde vor kurzem, von einem Trennungskind das mittlerweile erwachsen ist und selbst Kinder hat, eine grauenhafte Geschichte erzählt. Diese handelt von seiner Kindheit. Ich habe ihn gefragt ob ich sie veröffentlichen darf und er hat zugestimmt. Er möchte jedoch, verständlicher Weise, anonym bleiben.

 "Ich komme aus einer mittelständigen Familie. Meine Mutter hatte es sicher nicht leicht mich und meinen Bruder alleine zu erziehen. Damals war alleinerziehend sein noch nicht so in Mode, wie es heute manchmal scheint. Sie hatte einen Vollzeitjob und einiges durchgemacht. Meinen Vater habe ich mit 18 Jahren erst kennengelernt. Ganz zufällig. Aber da komme ich später drauf zurück. Wie dem auch sei, es hatte seine Gründe, dass ich ihn erst so spät kennen gelernt habe. Denn er hat bis zu diesem Tag einen Großteil seines Lebens im Gefängnis verbracht. Er war ein Vergewaltiger, Schläger, Drogensüchtig, Alkoholiker und hat versucht meine Mutter zu ermorden. So wurde es mir berichtet. Diese Anschuldigungen wurden mir nie belegt, aber ich glaube sie. Denn ich hatte ja das Vergnügen ihn kennen lernen zu "dürfen".


Jedenfalls brachte dies für mich und meinen Bruder einige Unannehmlichkeiten mit sich. Aber im Zuge dieses Beitrags lasse ich meinen Bruder außen vor. Er hat es anders in Erinnerung als ich. Ob das nun an Selektiver Wahrnehmung, Verdrängung oder anderem liegt kann ich nicht sagen, dies soll hier auch nicht das Thema sein.


Meine Mutter hat immer alles getan damit wir es gut hatten. Sie hat sich krumm gelegt um uns etwas bieten zu können. Sie hat es sogar geschafft, und das bewundere ich an ihr, als allein erziehende Mutter mit zwei Söhnen, eine Eigentumswohnung zu erwirtschaften.

Wir hatten nie viel, aber alles was wir brauchten. Der Rest meiner Familie hat immer einen gewissen Abstand zu mir gehalten. Ich war halt "dem sein Sohn". In den ersten Jahren habe ich das kaum bemerkt, denke ich, Wie auch es gab keinen Vergleich. Irgendwann bekam ich allerdings erst eine, dann zwei Cousinen. Von da an kann ich mich an nichts Schönes, im Umgang mit der restlichen Familie, erinnern. Ich kann mich noch sehr gut an einen Tag erinnern, der für Kinder immer etwas Besonderes sein wird. Es war Heiligabend. 


Wir trafen uns wie immer bei Oma und Opa, es wurde dasselbe wie jedes Jahr aufgetischt und gegessen. Bei der Bescherung bekam ich große Augen. Es lag ein riesen Berg an Geschenken unterm Baum. Daneben vier weitere. Als erstes, wie sollte es auch anders sein, durften die Cousinen ran. Sie packten Geschenk um Geschenk aus und der Berg wurde immer kleiner. Bis er auf einmal ganz weg war. Nun durfte ich meine Geschenke öffnen. Zwei an der Zahl, ich war so aufgeregt. Im ersten waren vier Paar Socken. Im zweiten 2 Pfund Kaffee. An den Rest des Abends kann ich mich nicht erinnern. So ging es Jahr um Jahr weiter. Ich fühlte mich auch ansonsten wie ein aussätziger.


So fing ich an zu rebellieren, machte Unsinn und lies mich auf die falschen Leute ein. Was mir dann von der Familie entgegen kam war klar. "Wie der Vater so der Sohn".

Irgendwann bekam ich aber doch die Kurve. Das habe ich meiner damaligen Klassenlehrerin zu verdanken. Sie hat an mich geglaubt, mir zu gesprochen und mir gezeigt das ich alles schaffen kann, wenn ich es will. So kam es also dazu, dass ich eine Lehrstelle als Koch in einem der besten Restaurants Deutschlands ergatterte. Ich war so stolz. ich dachte; "Jetzt hab ich´s euch gezeigt! Ich bin nicht mein Vater! Jetzt müssen sie mich Loben!". Meine Mutter war auch sehr stolz auf mich. Mein Onkel sagte "Erst mal musst du die Lehre schaffen" drehte sich weg und das Gespräch war beendet. Die anderen reagierten ähnlich. Ich war am Boden zerstört. All meine Hoffnung auf Anerkennung, Zuspruch oder Liebe waren wie weg gewischt.

Diese Gefühle trug ich über Jahre hin mit mir. Ich war leer. Ich habe die Lehre durch gezogen und als Klassen bester bestanden. Mehr aus Sturheit als aus glaube an mich selbst. Während meiner Lehrzeit starb mein Opa. Ich besuchte ihn im Krankenhaus, er winkte mich an sein Bett, wollte mit mir unter vier Augen reden. Ich verspürte tatsächlich einen Funken von Hoffnung, dass er vielleicht jetzt, am Ende, einmal etwas Nettes sagt. "Pack deine Sachen und verschwinde aus dem Leben deiner Mutter, das ist für alle das Beste." Waren seine Worte. Er starb, ich habe nicht geweint. Ich fühlte nichts, so wie die Jahre davor.


Nach meiner Lehre habe ich jeden Kontakt zu meiner Familie abgebrochen. Auch zu meiner Mutter. Denn sie hätte mich beschützen müssen. Ich war ganz am Anfang ein kleines Kind das sich nicht selbst gegen sowas verteidigen kann, dass es nicht mal verstehen kann. Sie hätte sich vor mich stellen müssen, sagen müssen "bis hier hin und nicht weiter". Was tat sie? Sie schaute weg.

Heute verdrängt sie dies, wird wütend wenn man sie drauf anspricht. Das habe ich ihr verziehen. Aber ich kann es nicht vergessen.




Kommen wir nun zu meinem Vater. Ich bin nicht sicher ob ich ihn so bezeichnen soll. Allerdings ist das Wort Erzeuger heute so dogmatisiert, vor allem in dem Kontext in dem dieser Blog sich befindet, das ich auch diese Wort vermeiden will. Also bleiben wir einfach bei Vater.


Ich habe tatsächlich, nur eine einzige Kindheitserinnerung an ihn. Diese ist komischerweise eine echt schöne. Er hatte uns wohl zum Umgang abgeholt und fuhr mit uns, in seinem Auto, zu sich nach Hause. Dort gab es eine Tiefgarage. Er nahm mich auf den Schoss und wir lenkten das Auto gemeinsam in die Tiefgarage. An mehr kann ich mich nicht erinnern.
Jedenfalls erzählte meine Mutter mir, als ich "alt" genug war über ihn. Was er alles verbrochen haben soll, was für ein schlechter Mensch er gewesen sein muss. Ich wusste von ihm ansonsten nur, das er meinem Bruder wie aus dem Gesicht geschnitten sei und auf den Knöcheln der rechten Hand das Wort L O V E tätowiert hat.
Es war mein 18er Geburtstag, ich saß im Zug nach Hause von der Berufsschule. Der Zug war, wie immer überfüllt. Also ging ich bis ans Ende des Zuges und setzte mich neben einen, nach Urin und Alkohol riechenden Mann. Er kam mir bekannt vor. So betrachtete ich ihn und mir viel die Ähnlichkeit zu meinem Bruder auf. Auch das Tattoo war dort wo es mir beschrieben wurde. Ich wurde nervös, starrte ihn an, knackte mir den Fingern. Er drehte sich nach einer Weile zu mir und lallte "Hast du ein Problem? Willst eins aufs Maul oder was?". Ich sah ihn an und fasste mir ein Herz; "Kann es sein das sie Max Mustermann sind? Mal mir Maxima Mustermann verheiratet waren?" Er nickte verdutzt und ich stellte mich vor; "Ich bin dein Sohn". Wir unterhielten uns, was nicht ganz einfach war, denn er war sturzbesoffen. Ich hatte kein gutes Bild von ihm. Als wir dann zusammen den Zug verließen fragte er mich ob ich ihm nicht etwas Geld "leihen" könnte. Ich wurde wütend, brüllte ihn an wie er mich bei unserem ersten treffen, an meinem Geburtstag nach Geld fragen könne, er ging auf mich los. Ich verteidigte mich. Danach sah ich ihn nie wieder.



Einige Jahre später machte ich eine Therapie. Arbeitet Dinge auf, die mir nicht klar waren. Es half mir sehr und ich wurde ein anderer Mensch. Aber auch heute fällt es mir schwer mich daran zu erinnern. Ich schreibe dies unter Tränen.


So ist es, nach all dem, wohl verständlich das ich es immer besser machen wollte als mein Vater. Es immer noch besser machen will.



Heute bin ich, nach der Trennung, ein neuer Mensch. Mein Herz ist größer geworden, mein Horizont hat sich erweitert, ich denke zuerst an andere dann an mich, die Meinungen anderer sind mir wichtig, ich habe gelernt zu Lieben, zu meinen Gefühlen zu stehen und diese auszudrücken. Ich bin mit meinem Leben eigentlich sehr zufrieden. Als ich über diesen Beitrag nachdachte, mein Leben reflektierte, wurde mir bewusst wie paradox es doch ist. So schlecht mein "Start" auch war, alles kann gut werden."

Ich denke dies ist ein hartes Beispiel für P.A.S. Auch wenn der Vater wirklich so ein Mensch gewesen ist, sollte man Kinder damit nicht konfrontieren. Erst recht nicht in diesem Ausmaß. Es ist tragisch und unverständlich was diesem Herrn in seiner Kindheit alles angetan wurde. Diese Erzählung sollte uns allen zu denken geben.
Alles Gute,
Daddy.

3 Kommentare:

S.Glocke hat gesagt…

...aber vielleicht ist der Vater erst durch andere Umstände zu dem geworden, was die Mutter erzählt hat! Vielleicht ist er von irgend wem nur beschuldigt worden und war nicht in der Lage, sich zu verteidigen?! Und nach Gefängnis kommt leider nicht mehr viel, was einem noch bleibt! Leider...

Vielleicht versuchst Du mal, Akteneinsicht zu bekommen, über die Verfahren gegen Deinen Vater...keine Ahnung, ob die Möglichkeit überhaupt besteht.

Ich weiß, wie mein Vater benannt wurde nach der Trennung...er wäre Schuld, er ist ja gegangen...er hat eine Neue..blablabla...an seinem Grab hab ich einen Teil der Wahrheit von seinem Freund erfahren...also, eigenes Bild komplettieren und dann ..wer weiß, was da passiert...!

Daddy hat gesagt…

Vielleicht überlassen wir das dem Vater der mir diese Geschichte erzählte einfach selbst?

Anonym hat gesagt…

Wenn Kinder instrumentalisiert werden können Väter verzweifeln und sich selbst aufgeben. Später ist die echte Wahrheit schwer zu erfahren.
... Ein betroffener